Annelies Borack im Dezember 2024 in ihrem Wohnzimmer in der Bermsgrüner Straße

Anlässlich der 875-Jahr-Feier der Stadt Schwarzenberg stellen wir in einer Reihe von Interviews auf unserem Blog Persönlichkeiten vor, die mit unserer Stadt verbunden sind. Egal, ob sie hier leben, arbeiten oder auf andere Weise einen Beitrag leisten – ihre Geschichten und Erfahrungen zeigen, was Schwarzenberg heute ausmacht.

Annelies Borack wurde 1931 in Chemnitz geboren und lebt seit ihrer frühen Kindheit in Schwarzenberg. Gemeinsam mit ihrem 2023 verstorbenen Ehemann Gunther trug sie durch eigene Forschung, mit Vorträgen und Veröffentlichungen zum Wissen um die Geschichte der Stadt bei und erhielt 2016 „in Würdigung ihrer langjährigen und herausragenden Verdienste im Ehrenamt auf dem Gebiet der Heimatpflege und der Stadtgeschichte für Schwarzenberg“ die Ehrennadel „Schwarzenberger Edelweiß“. Anfragen zu historischen Themen, die mit Schwarzenberg in Verbindung stehen, beantwortet sie weiterhin gern.

In welcher Verbindung stehen Sie mit Schwarzenberg? Ich lebe schon immer hier und bin deswegen sehr mit dieser Stadt verbunden. Außerdem habe ich hier ehrenamtlich gearbeitet und möchte das jedem auch heute nahebringen. Viel gelernt habe ich von meinem ehemaligen Grundschullehrer Ehrhard Friedrich und ich schreibe auch jetzt noch täglich. Das empfehle ich auch der heutigen Jugend.

Haben Sie Erinnerungen an die 800-Jahr-Feier? Die Feier war 1950 und mein Mann hat dabei geholfen. Es gab unter anderem eine Ausstellung in der Stadtschule, aber für mich wirkte das eher wie ein halbfertiges Jubiläum. Es war ja die Nachkriegszeit.

Wie haben Sie Ihre Jugend wahrgenommen? Ich wurde in Chemnitz geboren und bin in Schwarzenberg zur Schule gegangen. 1946 wurde ich konfirmiert. Mein letztes Schuljahr dauerte ein halbes Jahr länger, weil die Stadtschule während der Kriegszeit für ein halbes Jahr als Lazarett genutzt wurde. Durch den Lehrermangel in dieser Zeit unterrichtete ich mit anderen Achtklässlerinnen nebenbei auch selbst in den Elementarklassen. In diesen Unterrichtsstunden haben wir gesungen, Geschichten erzählt und Gedichte vorgetragen. Alles in allem war es eine schöne Schulzeit mit Lehrern mit Herz und Seele. Zu dieser Zeit gab es außerdem viele Vereine, die Wissen und Engagement vereinten.

Welche Erinnerungen haben Sie an die Kriegszeit? Ich war damals noch zu unreif, um zu verstehen, was das alles wirklich bedeutete. Zudem sprachen Eltern und Lehrer mit uns nicht darüber, vielleicht um uns vor den schrecklichen Taten zu beschützen. Wir waren manchmal sogar froh und gespannt, wenn wir eine Sirene heulen hörten und uns alle zusammen eng in einen Luftschutzkorridor drängen mussten. Wir verstanden nicht, was da vor sich ging. Unsere Mütter halfen manchmal den Flüchtenden in Wildenau und wuschen ihre Windeln und ihre Wäsche. Eine Geschichte, die mir sehr in Erinnerung geblieben ist, war als meine Mutter einmal nicht den damals gängigen Hitlergruß machen konnte, weil sie mehrere Taschen und ein Kind in den Armen trug. Sie wurde dafür gerügt.

Scherenschnitt von Annelies Borack aus dem Jahr 2024 mit Monogramm „AB“

Sie haben vorhin Ihren Mann erwähnt. Wie haben Sie sich kennengelernt? Gunther habe ich durch seine Mutter kennengelernt. Ich hatte im Haus in der Bermsgrüner Straße 14 bei Lehrer Ehrhard Friedrich Klavierunterricht, und Frau Borack aus dem ersten Stock bestellte mehrere Scherenschnitte bei mir. Als ich sie der Familie lieferte, sah ich Gunther zum ersten Mal und wusste sofort, dass ich diesen Mann eines Tages heiraten werde. Gunther war ein eher sachlicher und pragmatischer Mann. Trotzdem hörte er mich eines Abends in meinem Zimmer singen und kletterte am Spalier der Hauswand hoch, um zu sehen, wer dort sang. Im Nachhinein sagte auch er, dass es Liebe auf den ersten Blick war. Ich erinnere mich gern daran und hielt das auch damals schon in meinem Tagebuch fest. Unsere Trauung in der St.-Georgen-Kirche und die anschließende Feier waren am 20. Juni 1953, also im Ausnahmezustand wegen des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953.

Was empfinden sie als besonders in Ihrer Heimatstadt Schwarzenberg? Was vermissen Sie? Wie ihr ja gerade schon gesagt habt, ist Schwarzenberg meine Heimatstadt. Hier habe ich noch Emil Krauß erlebt. Er organisierte verschiedene Veranstaltungen und brauchte dafür immer Kinder und Jugendliche für die Bühne. In der Zeit von 1939 bis ca. 1950 habe ich mit meiner Schwester zu vielen Veranstaltungen von Kirche und Stadt gesungen. Im Jahr 1947 waren wir sogar mit der damals bekannten Stapff-Gruppe auf Tournee. Was daran so besonders war, war die Geselligkeit und die Verbundenheit, die man mit anderen Leuten knüpfte. Viele Vereine veranstalteten zu der Zeit Heimatabende und Singstunden. Allgemein waren die Beziehungen in dieser Zeit wärmer, das fehlt mir heute. Früher gab es einen Chor und ein Theater in so ziemlich jeder Einrichtung, immer mit sehr großer Beteiligung. Diese Gemeinschaft von früher vermisse ich, sie war sehr besonders für mich. Natürlich würde ich mir auch mehr Denkmalschutz für Schwarzenberg wünschen. Mein Mann war damals diesbezüglich sehr aktiv und hat zum Beispiel die Kaskadennutzung für den Springbrunnen im Park vor der Zerstörung gerettet. Eine Beschriftung von Straßen würde mir gut gefallen, um zu erklären, was es mit ihren Namen auf sich hat.

Gedicht über Schwarzenberg von Annelies Borack

Haben Sie einen Lieblingsort in Schwarzenberg? Ja, den habe ich. Das erste Bild, das ich gesehen habe, wenn ich aus dem Urlaub wiederkam, war der Becherberg. Früher haben wir, wegen des Blickes auf die Stad, auch oft Silvester dort gefeiert. Dementsprechend verbinde ich viele Geschichten mit diesem Ort: Ich war mit ein paar Kindern auf dem Berg, als wir auf einmal ein schauriges Knarzen vernahmen und so schnell wir konnten wegrannten. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass es der „Wetterhahn“ in Form einer Bergmannsfigur auf dem heutigen Bertolt-Brecht-Gymnasium war, der sich im Wind bewegt hatte (lacht).

Welchen Rat haben Sie für junge Menschen heutzutage? Eine wirklich wichtige Sache, die ich selbst erst lernen musste, ist folgende: Seid stolz auf eure Herkunft, vor allem auf eure erzgebirgische Kultur, egal ob das Gedichte, oder das Singen von Liedern ist. Das wünsche ich mir auch für junge Familien heute. Auch die Wertschätzung für die Heimat ist sehr wichtig, vergesst das nicht.

Das Gespräch wurde am 13. Dezember 2024 aufgezeichnet.

Text: hed, krs; Fotos: Hie

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